Hatten Sie schon immer das Ziel vor Augen, Karriere zu machen?
Tatsächlich hatte ich nie das abstrakte Ziel, „Karriere zu machen“. Ich wollte immer eine Aufgabe haben, die mich fordert und bei der ich auch etwas bewegen kann. Und ich habe alles mit voller Leidenschaft und großem Engagement gemacht. Dass sich mein bisheriger Lebensweg möglicherweise als „Karriere“ darstellt, ist das Ergebnis, aber nicht das Ziel.
Gab es eine Mentorin/einen Mentor, die/der Sie gefördert hat?
Es gab und gibt immer wieder Menschen, die mir etwas zugetraut haben. So haben sich für mich Chancen ergeben, die ich ergriffen habe und an denen ich gewachsen bin. Diese Menschen haben einen Blick für die Entwicklungspotenziale in ihrem Umfeld und Freude daran, diese zu fördern.
Es heißt, Männer verkaufen sich generell besser. Warum ist Selfmarketing für uns Frauen so schwierig?
Ich glaube, Männer lernen tendenziell im Zuge ihrer Sozialisation eher, sich im Wettbewerb zu behaupten. Sie erkennen früher, dass es nicht nur darauf ankommt, brav gute Sacharbeit zu leisten, sondern damit auch wahrgenommen zu werden. Und dass es auch nicht hilft zu wissen, dass man selbst vielleicht die schlauste, fleißigste Person im Raum ist, sondern dass es auch auf Networking und Zusammenarbeit mit anderen ankommt. Frauen erfahren tendenziell, dass von ihnen erwartet wird, dass sie zum sozialen Zusammenhalt einer Gruppe beitragen, sich selbst darin einpassen, die eigenen Bedürfnisse in den Hintergrund stellen. Damit gibt es schon sehr unterschiedliche Erfahrungshintergründe, wenn wir die Extrempunkte betrachten. Aber wir sind ja unser ganzes Leben lang lernfähig und können immer unser Verhaltensspektrum erweitern.
Allerdings habe ich auch beobachtet, dass ein und dasselbe Verhalten ganz unterschiedlich wahrgenommen wird, je nachdem, ob ein Mann oder eine Frau es an den Tag legen: Während Männer laut werden oder sehr entschieden, sogar hart, auftreten können, um ihr Gegenüber zu beeindrucken, sehen sich Frauen bei ähnlichem Verhalten dann schnell mit Zuschreibungen wie „hysterisch“ oder „Haare auf den Zähnen“ konfrontiert.
Es geht in jedem Fall darum, Gleichberechtigung bei der Entwicklung und Besetzung von Führungspositionen zu erzeugen – das ist allein schon eine Frage der Fairness. Zudem bin ich überzeugt, dass Vielfalt in jeder Hinsicht zu besseren Lösungen führt – so dass es auch im ureigenen Interesse jedes Unternehmens sein müsste, Führungspositionen mit unterschiedlichen Menschen zu besetzen. Wenn tatsächlich, wie die New York Times kürzlich ausgewertet hat, die Anzahl allein der Männer mit dem Vornamen John in Boards der Fortune-500-Unternehmen größer ist als die Anzahl der Frauen, dann ist dieses Ziel offensichtlich noch nicht erreicht!