Warum glauben Sie sind 95% der Chefredakteure in Deutschland männlich und welche Eigenschaften haben Ihnen dabei geholfen, sich in dieser Männerdomäne durchzusetzen?
Ich habe nicht das Gefühl, dass es Vorbehalte gibt, Frauen als Chefredakteurinnen einzusetzen. Allerdings gibt es in der Chefredaktion keine geregelten und festen Arbeitszeiten. Häufig wird bis in die Nacht gearbeitet, sodass eine Vereinbarkeit zwischen Beruf und Familie schwierig ist. Durch Heimarbeit, flexiblere Kinderbetreuungsmöglichkeiten und Führung in Teilzeit könnte sich das in Zukunft ändern.
Als Führungskraft kann man seinen Tag eigentlich nicht planen. Es passieren ständig unerwartete Dinge. Dabei hilft es, gute Nerven und einen kühlen Kopf zu bewahren. Ich musste mich nie mit Kraft und Ellbogen gegen männliche Kollegen durchsetzen. Es reicht, gut zuzuhören und aufzupassen, um Karrieremöglichkeiten zu finden und zu nutzen.
Welchen Einfluss hat eine weibliche Chef-Redakteurin auf das Miteinander in der Redaktion und die Karrieremöglichkeiten von Frauen?
Das Miteinander ändert sich generell, wenn Frauen am Tisch sitzen, unabhängig davon, ob die Frau die Chefin ist. Nach meiner Erfahrung wirken sich gemischte Teams positiv auf das Klima und die Produktivität aus. Durch Frauen in Führung erweitert sich das Blickfeld und es entsteht eine andere Dynamik. Auch Männer setzen sich heute zunehmend dafür ein, dass Frauen Entwicklungsschritte machen und auf ihrem Karriereweg gefördert werden. Ich glaube aber, dass Chefinnen einen speziellen Blick darauf haben, woran es liegt, wenn sich eine junge Kollegin trotz Fähigkeiten und Kompetenzen nicht traut. Manchmal ist es ganz einfach und es braucht nur einen kleinen „Stupps“.
Welchen Rat würden Sie Ihrem 20-30-jährigen „Ich“ aus Ihrer heutigen Lebens- und Berufserfahrung heraus geben und was sind Ihre Karriere-Tipps für junge weibliche Führungskräfte
Rückblickend würde ich den Rat geben, entschiedener zu sein – Entscheidungen schneller zu treffen, auch ohne vorab alle möglichen Folgen eruiert zu haben. Als Führungskraft steht man stets im Fokus der Mitarbeiter und sollte Entschlossenheit ausstrahlen. Daneben würde ich empfehlen, mehr Feedback zu geben, aber auch einzufordern. Empathie gegenüber den Mitarbeitern ist wichtig genauso wie ein regelmäßiger Austausch. Das fördert ein gutes Arbeitsklima im Team und jeder weiß, ob er die richtige Richtung eingeschlagen hat.
Als Tipp möchte ich jungen Führungskräften mitgeben, sich nicht durch selbstbewusste Auftritte männlicher Kollegen verunsichern zu lassen. Stark bleiben und individuelle Kraftquellen nutzen. Das können gute Freunde, Mentoren, Ratgeber sein, die im Notfall rund um die Uhr ansprechbar sind, die Zweifel ausräumen und zum Weitermachen animieren. Mir hilft immer der Satz: Es gibt für alles eine Lösung!