Wie haben Sie es geschafft, sich in der von Männern dominierten Opernwelt durchzusetzen – und zur mächtigsten Person der Kölner Oper zu werden?
Ich bin in einer sehr schwierigen Situation der Kölner Oper zu ihrer Intendantin geworden. Ich war zu dem Zeitpunkt stellvertretende Intendantin – und bin dann in die Chefposition nachgerückt. Die Oper war verschuldet, mein Vorgänger musste gehen. Das Klima war schlecht und es war eine verfahrene Situation. Ich denke, es war kein Zufall, dass ich als Frau gerade in diesem Moment zum Zug kam. Meine Erfahrung ist: Frauen werden häufig dann gerufen, wenn eine Situation aussichtslos erscheint, wenn es darum geht, Kompromisse zu schließen, Menschen und Meinungen zu integrieren, gemeinsam neue Wege zu suchen – und eben nicht lautstark zu tönen oder seine Ellenbogen auszufahren.
Welche Eigenschaften und Verhaltensweisen haben Ihnen hierbei geholfen?
Zunächst einmal muss man sein Handwerk beherrschen. Es braucht Fachwissen, eine große Disziplin und Ausdauer. Ein Teil des Erfolgs ist es, durchzuhalten und die Dinge auch in einem aufgewühlten Sturm immer wieder mit Ruhe und Gelassenheit zu sortieren. Ein gewisser Pragmatismus ist hilfreich; allerdings darf man dabei niemals die Sache – in meinem Falle die Kunst – verraten. Sie müssen wissen, was Sie wollen. Und Sie müssen den Weg hierfür freischlagen. Dafür braucht es Energie, Freude und Überzeugungskraft. Als Opernintendantin habe ich es mit besonderen Menschen zu tun. Im Publikum, aber auch im Opernbetrieb. Um Künstler zu führen, braucht es eine Sensibilität und Empathie für diese kreativen Menschen und eine Bereitschaft, sich ganz auf sie einzulassen. In der Kultur ist der Prozess zum Erfolg sicher ein anderer als in der Wirtschaft. Mir ist es wichtig, meinen Mitarbeiter*innen Raum für Kreativität und Gestaltung zu geben.
Welchen Rat würden Sie Ihrem 20jährigen „Ich“ für eine erfolgreiche Karriere und eine Spitzenposition aus Ihrer heutigen Perspektive geben?
Es sind zwei Empfehlungen: Sich Zeit lassen. Und sich frei machen vom Erwartungsdruck anderer. Peter Lindbergh hat es kurz vor seinem Tod sehr treffend auf den Punkt gebracht: „Alles, was man sieht, alles, was man hört und riecht und alles, was man sagt, bleibt in einem drin. Das ist da, in einem selber, und das muss man benutzen. Die meisten Leute wissen das nicht. Den größten Schatz der Welt schleppen sie mit sich herum.“
Ich empfinde das auch so. Unser eigener Erfahrungsschatz ist ein kostbares Kapital, welches wir auch in unserer Karriere einsetzen können. Nehmt Euch die Zeit, die Euer ganz persönlicher Weg braucht und spürt danach, wofür Ihr wirklich brennt und was Euch begeistert.