Liebe Frau Wittler, oft wird von der gläsernen Decke gesprochen. Sind Sie schon einmal dagegen gestoßen?
Mit Mitte 30 als ich eine Tochter bekam. Für mich stand der nächste Schritt an, und ich fand es total toll, dass ich Partnerin in einer Kölner Kanzlei werden sollte. Eine andere als die, für die ich heute arbeite. Die Familienplanung wollte ich vorher machen, damit alle sehen „Hey, die hat ein Kind und kann trotzdem diesen Schritt gehen.“ Und dann ging es eben nicht mehr. Da fing ich schon an zu grübeln, weil andere, männliche Kollegen, befördert wurden. Erst einmal habe ich gedacht: „Naja, ich arbeite ja auch nur bis 16 statt bis 19.30 Uhr.“ Aber ich fühlte mich extrem ungerecht behandelt: Zum ersten Mal bin ich an etwas gescheitert, das ich nicht verstehen konnte. Dann habe ich die Kanzlei gewechselt. Als Quereinsteigerin war die Partnerschaft kein Problem. Nun stelle ich fest, dass es auch bei uns einen Unterschied macht, ob man ein eigenes Gewächs ist und bei dem es irgendwann um die Familienplanung geht – dann scheint es ein bisschen langsamer zu gehen – oder ob man von außen kommt.
Seit kurzem stehen Sie aktiv mit den anderen Frauen in der Kanzlei Luther im Austausch. Wie sieht das aus?
Wir schalten uns per Videokonferenz zusammen. Inzwischen ist das ja zur Gewohnheit geworden. Wir sind 124 weibliche Anwältinnen – das ist ja schon mal ne Hausnummer. Wenn wir vor Corona ein Meeting geplant hätten, wären wir nie auf die Idee gekommen, das online zu machen. Wir hätten das in einem Hotel mit Übernachtung geplant und ganz sicher hätte es kritische Stimmen gegeben, dass die Frauen eine wilde Party oder was auch immer ohne die Männer feiern. Ganz einfach aus der Angst heraus, nicht dabei zu sein. Heute ist das Motto: Hauptsache man macht was! Auch die männlichen Kollegen finden es gut, dass wir uns treffen. Ich habe gerade erst im Handelsblatt gelesen, dass die Frauennetzwerke unheimlich aufblühen. Ich denke, das hat damit zu tun, dass die Diskussionen wegfallen. Mit einer Videokonferenz machen wir einfach. Keiner fragt: „Wo gehen die denn hin? Was machen die ohne uns?“
Wie ist die Resonanz unter den Frauen?
Auf einmal habe ich erfahren, dass jüngere Frauen in der Kanzlei bereits etwas auf die Beine gestellt hatten. So kommen wir zusammen, und es ist toll. Die größte Resonanz erlebe ich bei denen, die schon einen Karriereschritt hinter sich haben. Sie sind zwischen 34 und 38, überlegen wann sie den nächsten Schritt planen und gleichen das mit ihrem Privatleben ab. Das finde ich gut, dass sich da etwas bewegt.
Was muss sich noch bewegen?
Seit einem halben Jahr sehe ich Strukturen, die sich nicht geändert haben. Es ist wichtig, dass den Frauen klar wird, dass sie nicht alleine sind mit der Karriereplanung. Gleichzeitig müssen sich die Strukturen ändern: Wer gemischte Teams will, muss Frauen UND Männern Teilzeit ermöglichen, von dem Modell des Vollzeit-Juristen abrücken und akzeptieren, dass es auch andere Lebensentwürfe gibt.